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Theorie "Konfliktmanagement"

Ein konfliktfreies Projekt ist ein äußerst seltenes Phänomen. Selbst wenn Regeln vereinbart und Verträge geschlossen wurden, kann es zu Konflikten kommen, weil die verschiedenen Projektbeteiligten fast immer unterschiedliche Erwartungen an das Projekt haben. Meinungsverschiedenheiten über Ziele und Abläufe, (Nicht-)Ausführung von Arbeiten und zwischenmenschliche Probleme können zu Konflikten führen. Die meisten Konflikte beeinträchtigen das Projekt erheblich. Wenn sie nicht sofort angegangen und gelöst werden, kann der Konfliktlösungsprozess langwierig und kostspielig sein, weil Konflikte die Arbeit am Projekt beeinträchtigen. Die Ursachen von Konflikten müssen daher bekannt sein, drohende Konflikte müssen erkannt werden und das Team muss wissen, wie sie zu lösen sind.

Wie wird mit Konflikten umgegangen?

Das Hauptanliegen aller Projektbeteiligten (z. B. im Scrum: Developer, Scrum Master, Product Owner) sollte stets sein, Konflikte gar nicht erst aufkommen zu lassen. Dies wird durch das Stakeholdermanagement, die Umfeldanalyse sowie das Befolgen der Regeln des agilen Frameworks ermöglicht. Beim Scrum muss sichergestellt werden, dass die Meetings und Besprechungen zeitgenau eingehalten und durchgeführt werden. Sind Konflikte entstanden, müssen diese so schnell wie möglich angegangen und behoben werden. Die Verantwortung liegt grundsätzlich bei jedem Beteiligten. Kommen Konflikte auf, bestehen verschiedene Möglichkeiten, diese auszuräumen:

  1. Die Beteiligten sprechen sich aus.

  2. Der Scrum Master / Projektmanager handelt als Mediator.

  3. Ein (externer) Berater wird hinzugezogen.

  4. Eskalation auf eine höhere Ebene im Unternehmen.

Im nächsten Schritt kann die folgende Checkliste dem Mediator weiterhelfen, den Konflikt zu bewältigen:

  • Wurden die richtigen Konfliktpartner identifiziert?
  • Wurden Profile der Konfliktpartner erstellt?
  • Wurden Konfliktpartner im Organigramm festgelegt?
  • Wurde der Konflikt in der Konfliktspirale eingeordnet?
  • Wurde der 10-Punkteplan zur Konfliktbewältigung beachtet?
  • Wurde qualifizierter Rat eingeholt (Betriebsrat, Betriebsarzt, Betriebspsychologe, Mediator, Schlichter, Jurist, Fachvorgesetzter, etc.)?
  • Wurde der Konflikt an den richtigen Adressaten gerichtet, weitergeleitet bzw. eskaliert?

Eine Orientierungshilfe, die beim Umgang mit Konflikten gute Dienste leisten kann, stellt das sog. BALU-Vorgehen dar. Es strukturiert den Umgang mit einem Konflikt klar und hilft so, mögliche Lösungen zu finden.

  • B emerken eines Konflikts
  • A nsprechen des Konflikts
  • L ösungen finden
  • U msetzen des Lösungsvorschlags

Konfliktursachen

Konflikte sind grundsätzlich durch die Unvereinbarkeit von Handlungen, Motiven oder Verhaltensweisen gekennzeichnet. Verschiedene Projektteammitglieder können unterschiedliche Erwartungen an das Projekt haben. Viele Konflikte entstehen aufgrund der Persönlichkeit oder des persönlichen Verhaltens der Projektbeteiligten.

Die Ursachen von Konflikten liegen daher entweder auf der

  • objektiven Ebene (= sachlichen Ebene), oder
  • der psychosozialen Ebene (= emotionalen Ebene).

Dabei ist zu bedenken, dass viele Konflikte, die scheinbar objektiv sind, ihre Ursache auf der psychosozialen Ebene haben.

Konflikte auf der sachlichen Ebene

Konflikte, die auf sachlicher Ebene auftreten, lassen sich unterteilen in:

1. Zielbezogene Konflikte:

Wenn verschiedene Projektbeteiligte im selben Projekt unterschiedliche Ziele verfolgen, liegt ein Zielkonflikt vor. Wenn beispielsweise das Sprint Goal zu weit gefasst ist, so dass die Developer unterschiedliche Ansichten darüber haben, worauf genau sie hinarbeiten müssen.

2. Bewertungsbezogene Konflikte:

Diese Konflikte entstehen in einem Projekt, wenn die Beteiligten Sachverhalte unterschiedlich bewerten, weil sie Informationen auf unterschiedliche Weise wahrnehmen und verarbeiten. Ein Aspekt der Projektarbeit, der häufig zu Konflikten führt, ist das Ergebnis von Schätzungen.

3. Verteilungskonflikte:

Diese Konflikte entstehen, wenn verschiedene Projektbeteiligte um dieselben Ressourcen konkurrieren.

Psychosoziale Konflikte

Psychosoziale Konflikte treten in der Regel auf, wenn unterschiedliche Persönlichkeiten und Werte aufeinandertreffen. Wenn ein Projekt beginnt, müssen Teammitglieder, die sich häufig nicht kennen, zusammenarbeiten und sich mit dem Projekt vertraut machen. Dies ist selten konfliktfrei. Wenn sich die zwischenmenschlichen Probleme durch den hohen Erfolgsdruck noch verschärfen, wird die Situation schnell kritisch.

Konflikte auf der psychosozialen Ebene werden oft nicht als solche erkannt, sondern es wird angenommen, dass sie mit der sachlichen Ebene zusammenhängen. Bei psychosozialen Konflikten kann es notwendig sein, einen externen Experten (z.B. Coach, Psychologe, Mediator) hinzuzuziehen.

Die Konfliktspirale

Nachdem Sie nun die verschiedenen Ursachen von Konflikten kennengelernt haben, möchten wir Ihnen die Konfliktspirale vorstellen: Konflikte entstehen in der Regel nicht aus dem Nichts, d. h. bevor ein Konflikt wirklich schlimm wird, liegt meist schon etwas im Argen. Oft stehen Missverständnisse am Anfang eines Konflikts. Aus dem Missverständnis entsteht Verwirrung und dann Verärgerung. Die Konfliktparteien beginnen, sich gegenseitig zu beschuldigen, sie entfremden sich und es kommt zu Feindseligkeiten. Eine angenehme Arbeitsatmosphäre ist dann nicht mehr vorhanden.

Das ist natürlich nur das Extrembeispiel, aber sobald sich Konflikte verhärten, nimmt diese Spirale ihren Lauf - auch wenn es am Anfang nur ein kleines Missverständnis war. Deshalb ist es wichtig, einen Konflikt frühzeitig zu bereinigen. Hierfür gibt es den sog. 10-Punkteplan.

Der 10-Punkteplan

Um Konflikte zu beheben, kann wie folgt vorgegangen werden:

  1. Konflikt erkennen.
  2. Konfliktpartner identifizieren.
  3. Konflikt thematisieren.
  4. Konflikt analysieren.
  5. Konfliktargumente visualisieren.
  6. Konflikt einordnen (Ebene des Konflikts: emotional oder sachlich?).
  7. Konflikt von der emotionalen auf die sachliche Ebene bringen, falls erforderlich.
  8. Konflikt strukturieren.
  9. Lösungsalternativen sammeln, bewerten, auswählen, umsetzen.
  10. Konflikt für neue Wege nutzen.

Zusätzlich zu diesem Prozess ist es wichtig, Warnsignale (frühzeitig) ernst zu nehmen. Die wahre Ursache sollte immer untersucht werden. Dies ist wichtig, um den Konflikt dort, wo er entstanden ist, direkt zu lösen, aber auch, um künftige Konflikte dieser Ursache zu vermeiden. Unabhängig davon, ob der Konflikt sachlich oder emotional ist, sollte immer darauf geachtet werden, dass die andere Konfliktpartei niemals ihr Gesicht verliert, da dies dazu führen könnte, dass ein Konflikt auf sachlicher Ebene in einen Konflikt auf emotionaler Ebene umschlägt.

Konflikten vorbeugen

Noch besser, als Konflikte frühzeitig zu beheben ist, Konflikten vorzubeugen. Dabei muss man hinter die Kulissen schauen, anstatt sich auf die offensichtlichen Fakten zu konzentrieren.

Die folgenden Maßnahmen können Ihnen helfen, Konflikte zu vermeiden.

  • Offene Informationspolitik und Transparenz gegenüber den Stakeholdern.
  • Einbindung der Betroffenen in die Sprint Retrospective bzw. in Feedbackgespräche.
  • Ängste und Sorgen ernst nehmen und Teammitglieder ermutigen, offen darüber zu sprechen.
  • Ein Klima des Vertrauens schaffen.
  • Regelmäßiges Feedback geben und einfordern.

Funktionen von Konflikten

Konflikte werden oft als ausschließlich destruktiv angesehen. Diese Sichtweise ist jedoch zu einseitig, denn Konflikte bereiten nicht nur eine unangenehme blockierende Atmosphäre, sie bieten auch Chancen, vor allem, wenn der Konflikt in einer frühen Phase des Projektes auftritt und die Teammitglieder nicht emotional involviert sind.

Funktionen von Konflikten können folgende sein:

  • Sie zeigen an, dass Veränderungen notwendig sind.
  • Sie zeigen Chancen auf.
  • Sie machen "reinen Tisch" in unangenehmen und hinderlichen Situationen.
  • Sie führen zu einer reifen Projektkultur.
  • Sie fördern den Teamgeist.
  • Sie ermöglichen Teamlösungen.
  • Sie bringen Dinge ans Tageslicht und beseitigen Verwirrung.
  • Sie fördern die persönliche Entwicklung, da Menschen aus Konfliktsituationen lernen.

Infolgedessen werden oft innovative Ansätze zur Konfliktbewältigung gefunden, welche im weiteren Projektverlauf oder bei anderen Projekten angewandt werden können.