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Theorie "Projektumfeld"

Die Analyse und das Management des Umfelds und der Stakeholder bzw. die Kommunikationen mit diesen, sind wesentliche Schritte bei der Planung und Umsetzung eines jeden agilen Projektes.

Kein Projekt wird im luftleeren Raum durchgeführt, weder ein traditionell organisiertes noch ein agiles Projekt. Projekte werden durch gesetzliche bzw. vertragliche Randbedingungen und personelle bzw. fachliche Belange eingegrenzt. Rechtzeitig die wesentlichen Sachverhalte zu erkennen und zu berücksichtigen hilft, ein erfolgreiches Projekt zu schaffen. Als Mitarbeiter eines agilen Projektes müssen Sie sich folgende Fragen stellen:

  • Welches Umfeld findet ein Projekt vor?
  • Worauf muss dabei geachtet werden?

Das Projekt und dessen Umfeld

Es bietet sich an, auch in einem agilen Projekt, die sogenannte POSTUR-Analyse durchzuführen.

POSTUR ist ein Akronym, welches die folgenden "Umfelder" einschließt:

Alle Auswirkungen auf Ihr Projekt lassen sich unter einem dieser Oberbegriffe zusammenfassen. Es ist wichtig, sich vor Augen zu halten, dass das Projekt von der Umwelt beeinflusst wird, aber auch umgekehrt. Je nach Land, in dem Ihr Projekt durchgeführt wird, können die Umweltauswirkungen mehr oder weniger umfangreich sein.

Doch was verbirgt sich hinter den jeweiligen Oberbegriffen?

Politik - Politisches Umfeld
Welche "Machtzentren" sind zu beachten? Gibt es unterschiedliche Interessensfelder?

Oekonomie - Ökonomisches Umfeld
Gibt es wirtschaftliche Begrenzungen? Herausragende wirtschaftliche Interessen? Wettbewerber? Gibt es saisonale oder konjunkturelle Schwankungen zu berücksichtigen?

Soziologie - Soziologisches Umfeld
Sind dem Projekt ethische oder moralische Grenzen gesetzt? Muss auf Stimmungen oder Emotionen der vom Projekt betroffenen Personen geachtet werden?

Technologie - Technologisches Umfeld
Sind im Projekt technische Neuerungen zu integrieren? Sind die Technologien erprobt? Müssen Schutz- oder Nutzungsrechte beachtet werden?

Umwelt - Ökologisches Umfeld
Wird mit dem Projekt die Umwelt verschmutzt? Muss sich auf umweltbedingte Vorgaben oder Auflagen eingestellt werden?

Recht - Rechtliches Umfeld
Welcher Rechtsraum liegt vor? Welche Gesetze und Vorschriften gelten für das Projekt?

Dies sind die Schlüsselfragen, über die Sie nachdenken müssen, wenn Sie das Projektumfeld evaluieren.

Auf der Grundlage Ihrer Umfeldanalyse können Sie eine Wirkungsanalyse erstellen:

  • Wo liegen die Chancen und Risiken für Ihr Projekt?

  • Wie stark wirken sie sich auf Ihr Projekt aus?

Kommunikation mit dem Umfeld

Kommunikation ist im agilen Projektmanagement das A und O, daher liegt es nahe, dass auch die Kommunikation mit dem Umfeld eine wichtige Rolle spielt. Es gibt drei mögliche Ebenen der Beteiligung. Sie können mit Ihrem Umfeld kommunizieren über den

  • partizipativen,
  • diskursiven oder
  • repressiven Ansatz.

Wenn der partizipative Ansatz Anwendung findet, dann werden alle vom Projekt betroffenen Parteien als Partner behandelt und aktiv ins Projekt einbezogen. Die Beteiligung reicht bei diesem Ansatz von der Information und Kommunikation bis hin zur Einbeziehung in den Entscheidungsprozess. Beim diskursiven Ansatz werden die Interessen der verschiedenen Betroffenen in Einklang gebracht. In diesem Fall sollten Konfliktmanagement- und Verhandlungsmethoden angewandt werden. Der repressive Ansatz zeichnet sich dadurch aus, dass die Umwelt nur vordergründig beteiligt ist. Die Entscheidungen werden von einer Person allein getroffen. Es gibt nur wenige Fälle, in denen dieser Ansatz notwendig sein kann.

Stakeholderanalyse

Wieso wird eine Stakeholderanalyse durchgeführt?

Stakeholder sind von einem Projekt betroffen oder können Einfluss darauf ausüben. Sie können positiv, negativ oder neutral dem Projekt gegenüber eingestellt sein. Es ist daher wichtig, sich einen Eindruck von den Stakeholdern zu verschaffen, um sich gegebenenfalls auf deren Reaktionen einzustellen und Maßnahmen für eine angemessene Kommunikation abzuleiten. Die Stakeholderstrategie wendet sich an die Stakeholder im Projekt und bindet sie in die Gestaltung des künftigen Produktes mit ein - so kann gewährleistet werden, dass ein möglichst optimales Produkt entwickelt wird und dass die unterschiedlichen Interessen bei der Produktentwicklung berücksichtigt werden.

Auch Projektbeteiligte sind Stakeholder eines Projektes.

In einem Scrum-Projekt finden sich die wichtigsten Projektbeteiligten im Scrum Team wieder. Das Scrum Team setzt sich zusammen aus den Developern, dem Scrum Master und dem Product Owner. Mehr zu den drei Rollen erfahren Sie im nächsten Kapitel. In agilen Projekten, die keine Scrum-Projekte sind, können Projektbeteiligte bspw. die Projektleitung oder Entwickler sein.

Sowohl Scrum Master als auch Product Owner oder Projektleiter sollten sich Gedanken über ihre Stakeholder machen, denn nur so kann eine optimale Kommunikationsstrategie entwickelt werden.

Was können Beispiele für Stakeholder aus der Perspektive des Product Owners und Scrum Masters sein?

Aus Perspektive des Product Owners:
Kunde, Auftraggeber, Nutzer, Entwickler im Team, Vertrieb und Marketing, Zulieferer etc.

Aus Perspektive des Scrum Masters:
Alle Personen oder Einheiten, die am Scrum-Projekt beteiligt sind, Unternehmensumfeld, Vorstandsbereich, Vorgesetzte des Entwicklungsteams, Linienorganisation, Personalabteilung, Beschaffung, Betriebsräte etc.

Bei einer Stakeholderanalyse müssen die folgenden Schritte durchgeführt werden:

  1. Analyse der verschiedenen Stakeholder oder Stakeholdergruppen basierend auf deren Einfluss und Betroffenheit.

  2. Identifikation und Analyse der Kundenerwartungen.

  3. Durchführung einer Betroffenheitsanalyse [Betroffenheit (passiv) - Einflussnahme (aktiv)].

  4. Einschätzungen zu den Stakeholdern treffen, z. B. ob der Stakeholder dem Projekt positiv oder negativ gegenübersteht, wie seine Bedeutung und Macht sind oder wie er sich voraussichtlich verhalten wird.

  5. Festlegung von Maßnahmen, um den Projekterfolg sicherzustellen und Erarbeitung einer Strategie, wie mit den Stakeholdern im Projekt umgegangen werden kann (Information durch Portal oder Newsletter, Bildung eines Kernteams, persönlicher Kontakt, Einladung zu Meetings)

  6. Rollierende Durchführung der Stakeholderanalyse je nach Bedarf und Überprüfung auf eventuelle Veränderungen, v. a. nach wichtigen Events

Stakeholdermatrix

Die Stakeholderanalyse kann auch grafisch mithilfe einer Stakeholdermatrix dargestellt werden. Hierfür werden die Stakeholder entsprechend ihrer Betroffenheit vom und ihren Einfluss auf das Projekt in vier Quadranten eingeordnet:

Abhängig von der Anordnung der Stakeholder in den verschiedenen Quadranten ergibt sich die Klärung der organisatorischen Anbindung an das Projekt und der Stakeholderkommunikation.

Maßnahmen für Projektumfeld und Stakeholder

Nun, da Sie die Stakeholder in den jeweiligen Quadraten eingeordnet haben, können Sie sich mit den entsprechenden Maßnahmen beschäftigen. Es stehen verschiedene Maßnahmen zur Auswahl, dem Product Owner, dem Scrum Master und dem Projektmanager unterliegt jedoch der Gestaltungsspielraum im Umgang mit dem Projektumfeld und den Stakeholdern. Mögliche Maßnahmen (abhängig von der Größe des agilen Projektes) können folgende sein:

Quadrant 1: Dies sind die Stakeholder, die einen bedeutenden Nutzen aus dem Produkt ziehen und einen großen Einfluss auf dessen Gestaltung haben. Das können beispielsweise Kunden, große Investoren oder ausgesprochen wichtige Anwender sein. Diese Stakeholder sind die Unterstützer des Projektes und sollten deshalb miteinbezogen werden - am besten durch Einladung zu Meetings oder zu regelmäßigen Treffen zur Identifikation von Bedürfnissen.

Quadrant 2: Hier sind die Stakeholder aufgeführt, die an einem Gelingen des Projektes sehr interessiert sind, aber lediglich einen mäßigen bzw. geringen Einfluss darauf ausüben. Das können beispielsweise häufige Nutzer Ihres Produktes sein oder Menschen, die kleinere Investitionen (z. B. durch Crowdfunding) getätigt haben. Da es sich bei diesen Stakeholdern um zukünftige Nutzer des Produktes handelt, ist es sinnvoll, eine Auswahl von ihnen zu den besonderen Events (z. B. zu Sprint Reviews) einzuladen. Andere Möglichkeiten der Projekteinbindung könnte in Form von Videos oder Newslettern geschehen, in welchen über den Projektfortschritt berichtet wird. Beispielsweise kann auch durch Onlineumfragen Feedback von ihnen eingeholt werden. Sie freuen sich bestimmt darüber, das Projekt unterstützen zu können.

Quadrant 3: Hier befinden sich diejenigen Stakeholder, die weder ein großes Interesse an Ihrem Projekt haben noch Einfluss darauf nehmen. Deshalb reicht es oft aus, diese Gruppe bei Bedarf zu informieren. Beispielsweise in Form einer Pressemitteilung oder durch Veröffentlichung eines Artikels auf der Firmenwebsite. Möglicherweise können Stakeholder aus diesem Quadranten "rekrutiert" werden, indem Sie diese aktiv miteinbeziehen oder deren Bedürfnisse abklopfen.

Quadrant 4: Hier werden die Personen eingeordnet, die einen signifikanten Einfluss auf das Projekt ausüben, jedoch nicht wesentlich an dessen Gelingen interessiert sind. Das kann zum Beispiel ein Abteilungsleiter sein, der nicht sein eigenes Budget in die Entwicklung investiert und dem das (Scrum) Team berichten muss. Oder aber ein Softwarearchitekt, dessen technische Entscheidungen vom Team befolgt werden müssen. Ebenso befinden sich in diesem Quadranten wichtige Kunden Ihres Unternehmens. Obwohl diese Stakeholder kein unmittelbares Interesse an dem Produkt haben, sollten diese trotzdem zufriedengestellt werden, möglicherweise können sie im Verlauf des Projektes zu Unterstützern werden.

Die Verteilung der Stakeholder ist jedoch nur eine Momentaufnahme

Es ist durchaus möglich, dass sich die Stakeholder im Projektverlauf in andere Quadranten verschieben, daher sollten Sie die Stakeholderanalyse nicht nur einmalig machen, sondern immer wieder einen Blick darauf werfen und ggf. Aktualisierungen vornehmen.

Da es in einem Scrum-Projekt feste Rollen gibt, möchten wir Ihnen weitere Möglichkeiten zur Integration von (wichtigen) Stakeholdern vorstellen, die der Product Owner und der Scrum Master wahrnehmen können:

Product Owner: Teilnahme an den Sprint Planning Meetings, Teilnahme an den Sprint Reviews, Bildung eines externen Arbeitskreises, kontinuierliche Information durch Infoletter oder Bildung eines Projektportals.

Scrum Master: Vernetzung im Unternehmen, persönlicher Kontakt zu Schlüsselpersonen im Unternehmen, Bildung eines Arbeitskreises zur Etablierung von Scrum, Erstellung eines Infoportals, Erarbeitung der notwendigen Schritte gemeinsam mit Führungspersonen.